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Katalog zur Ausstellungsreihe : Susanne Zuehlke - Die Welt von oben - 2022/2023
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Textbeitrag - Dorothee Baer-Bogenschütz 

ISBN: 978-3-948771-09-6  - 84 Seiten. 78 Abbildungen

 

 

 

Vernissage Susanne Zuehlke, „Lichtort“, Kunstverein Bretten, 21.5.2017

Laudatio: Dr. des. Maria Lucia Weigel

                 Kunsthistorikerin, Heidelberg

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

heute morgen darf ich Ihnen Arbeiten der Karlsruher Künstlerin Susanne Zuehlke vorstellen, die sie unter der Titel „Lichtort“ in den Räumen des Brettener Kunstvereins zeigt.

Die aus Duisburg stammende Künstlerin hat ihr Studium der Malerei an der Karlsruher Kunstakademie absolviert, unter anderem bei Harry Kögler, dessen Werk auch mir persönlich sehr vertraut ist – ich habe meine Dissertation darüber geschrieben. Während ihres Studiums hatte Susanne Zuehlke ein Stipendium für Malerei an der University of Arizona in Tucson inne. Ihre Arbeiten sind in zahlreichen öffentlichen Sammlungen vertreten, sie präsentiert ihre Arbeiten regelmäßig in Einzelausstellungen im In- und Ausland.

Im Herbst und Winter 2014/15 nahm die Künstlerin an dem Luxor International Painting Symposium in Ägypten teil. Es war eine Zeit reichen Austausches mit etlichen geladenen Künstlern aus verschiedenen Ländern und Ägypten selbst, man wohnte im Winter Palace in Luxor, den Abschluß bildete eine gemeinsame Ausstellung dort. Viele der hier gezeigten Arbeiten sind durch Seherlebnisse inspiriert, die Susanne Zuehlke in Ägypten machen konnte. In der Folge sind etliche Zeichnungen vor dem Motiv entstanden. Was aber interessierte die Künstlerin? Es ist das tektonische Gefüge von Vertikalen und Horizontalen, das sich aus den im Garten des Hotels aufragenden Baumstämmen und ihrem Schattenwurf ergab. Es sind die wie in Kaskaden herabfallen Konturlinien sitzender Kolossalstatuen ägyptischer Könige. Es ist das visuelle Gefüge des Gegenständlichen, nicht der erzählerische Inhalt, die den Blick der Künstlerin auf sich ziehen. Susanne Zuehlke findet das in diesen Motiven wieder, was seit langer Zeit Gegenstand ihres künstlerischen Schaffens ist: Farbe, Form, Licht. 

Susanne Zuehlke ist Koloristin, also Farbmalerin. Sie ist über Jahre hinweg zu dieser Position vorgedrungen im Kreisen um gegenständliche Themen, Landschaften vor allem anderen. Das Gegenständliche ist noch immer Auslöser für Bildideen. Es wird in kleinformatigen Skizzenbüchern mit Bleistift festgehalten, die Künstlerin bleibt darin nah am Motiv. Auch auf dem feinen Nesseltuch, auf dem sich die gemalten Kompositionen entfalten, finden sich Vorzeichnungen mit gegenständlichem Bezug. Doch ist es nie das Kontinuum einer Landschaft oder ein vollständiges Szenario, die im gemalten Bild ihren Niederschlag finden. Es ist die Abstraktion aus dem Gesehenen, das in das Werk eingeht. Formen aus Farbe erzeugen, Bildlicht erschaffen, Farbakkorde zueinander in Beziehung setzen und räumliche Gefüge auf dem Malträger hervorbringen, das sind die künstlerischen Anliegen, denen Susanne Zuehlke in ihrem Werk in konsequenter Weise nachgeht. Dabei stehen die Arbeiten jeweils für sich, doch auch in der Gruppierung mehrerer Werke zeigen sich die Charakteristika des malerischen Ansatzes von Susanne Zuehlke.

„Blickwechsel“ ist das Werk betitelt, das Sie von der Einladungskarte her kennen. In Grüntönen und ihren Verwandten Blau und Gelb gehalten, entfalten sich blockartige Farbstreifen in der Horizontalen, gegeneinander versetzt, in sanfte Schwingung geraten. Eine aufragende helle Farbbahn bildet eine Zäsur, farblich abweichende, doch harmonierende Formenechos begleiten diese. Zwei Bereiche markanter blauer Farbstreifen setzen Akzente im Vordergrund. Das menschliche Auge assoziiert mit dieser kompositorischen Anordnung sogleich Abbildhaftes, landschaftliche Formationen. Unser Blick wandert zwischen den farblichen Sensationen in den Bildgrund hinein. Doch es ist ein rein bildliches Gefüge, Malerei pur, die zum Thema wird. Die gegenständlichen Anmutungen bilden wohl einen Spannungspol, der im Erfassen des Bildes mitschwingt, aber sie treten hinter die Erkundungen der Möglichkeiten dessen, was Malerei vermag, zurück.

Manche Titel geben Hinweis auf die gegenständliche Idee, die zum Bildauslöser wurde. „Feluke“ spielt an auf die Handelsschiffe, die noch heute auf dem Nil unter Segel fahren, ein typisch ägyptischer Anblick. Die Gestalt des Schiffes steht bei der spindelförmigen Farbform in der rechten Bildhälfte Pate. Und doch ist das eigentliche Sujet nicht der Gegenstand, sondern die aus dem Führen des breiten Pinsels konzis hervorgebrachte Form, umlagert von farbigen Bahnen, die diese mit dem Bildgrund verschränken. Die Fließspuren der Farbe stören das Hintereinander in einer gegenständlichen Lesart, sie stellen Irritationen einer perspektivischen Deutung des Bildraumes dar. Sie erinnern den Betrachter daran, daß er ein Bild sieht, das die narrativen Bezüge nur zum Anlaß nimmt und weit darüber hinausgeht. „Der Betrachter meiner Bilder muß sehen können“, so formuliert es die Künstlerin.

Selbst in einer Arbeit wie „Flügel des Horus“ beläßt es die Malerin lediglich bei dem titelgebenden Hinweis auf die Ableitung der geschwungenen Konturen einiger Farbformen aus der Gestalt des falkenförmigen Himmelsgottes, dem sie auf ihrer Ägyptenreise immer wieder begegnet war. Mit ausgebreiteten Flügeln beschützt er diese Welt, er ist Königs- und Lichtgott zugleich. Lichtdurchflutet präsentiert sich auch das Gemälde. Weiß herrscht vor und wird von Farbblöcken in Blau und Rot durchbrochen, vermittelt durch die mit viel Weiß abgemischten benachbarten Partien. Das Bild, wie alle anderen, entfaltet sich in einem abstrakten Rhythmus, der über die Farbe generiert wird. Ihre Verteilung auf dem Bildträger, ihre Ausdehnung, ihr Zurückweichen, löst die Fläche in ein pulsierendes Vor und Zurück auf. Die Form, in der die Farbe erlebbar wird, ist wiederum aus dem Pinselstrich selbst hervorgebracht. Mehrere Farblagen sind übereinander gelegt, so daß sich auch hierin Tiefenraum öffnet. Fließspuren zeugen von einem Drehen des Bildes, ihnen eignet formgebende malerische Qualität.

Susanne Zuehlke leugnet den dinghaften Ursprung der kompositorischen Ideen auch in anderen Arbeiten nicht, deren formales Repertoire konzentrierter erscheint. Er bleibt stets assoziativ präsent, davon zeugen Titel wie „Horizont“. Die Formatierung der blauen, roten, grünen und braunen Farbformen bewegt sich innerhalb des bekannten Vokabulars von langgestreckten Bahnen oder rechtwinkligen Flächen. Im Detail scheint eine überraschende Variation an gestalterischen Strategien auf. Homogen wirkende Farbflächen sind in Binnenpartien unterschiedlich abgetönt, Überlagerungen von Farbschichten erzeugen auch hier Mischtöne und lassen Transparenzen zur Geltung gelangen, eine kreisende Pinselführung bringt dynamische Aspekte ein, die den blockhaften Bereichen kontrastierend zur Seite gestellt sind. Fließspuren künden auch hier vom Malprozeß selbst. Dieser ist keineswegs zum alleinigen Thema erhoben, das Entstandene ist ein bildliches Gefüge, kein schieres Notat psychischer Vorgänge oder Befindlichkeiten.

Atmosphärische Gestimmtheiten übermitteln die Kompositionen allerdings. Allein die gewählten Farbharmonien erzeugen im Betrachter gewisse Emotionen. Auch sie haben einen Bezug zur Außenwirklichkeit. Das Licht eines mediterranen Tages, irisierende Farbigkeit in der Hitze des Sommers, die Frische der Farben in der Natur nach einem Regenguß, dies alles geht ein in die Arbeiten von Susanne Zuehlke. Himmelblau und Grüntöne, Erdbraun und selbst Verschattungen sind Zitate äußerer Dingwelten, ohne an das Gegenständliche gebunden zu bleiben. Sie werden als farbige Qualitäten malerisch übersetzt. Licht einzufangen stellt dabei eine besondere Herausforderung dar. Es ist nicht nur Wirklichkeitsverweis, es wird auch im Bild erzeugt durch die Art des Farbauftrages, der Licht in den oberen Schichten eindringen läßt, um es dann an der untersten, meist weißen, zu reflektieren.

Susanne Zuehlke malt ausschließlich mit selbst hergestellter Eitempera, die eine so differenzierte Nuancierung der Farben zuläßt wie kein anderes Malmittel. Die Farben weisen im Auftrag eine matte Oberfläche auf, sie werden deckend eingesetzt und wirken ihrer Intensität zum Trotz nie aufdringlich. Wenn man in diesem Zusammenhang von Noblesse sprechen kann, dann gebührt diese Eigenschaft der hier zur Anwendung gelangenden Malmaterie. Wie Sie sehen, können durch die Handhabung des Pinsels und die Dichte des Farbauftrags auch Transparenzeffekte erzielt werden. Diese wiederum sind charakteristisch für die Aquarelltechnik, die in den kleinformatigen Arbeiten zum Einsatz kommen. Auch hier wirken die Kompositionen leicht, lichtdurchflutet, jedoch kraftvoll in der Farbgebung. Und doch sagt die Malerin nicht ohne Augenzwinkern von sich selbst: „ Wenn eine Eitempera-Malerin Aquarell malt, dann reicht nicht eine Schicht...“ . So entsteht auch im kleinen Format ein verdichtetes Bildgefüge farbiger Bahnen, in sich moduliert durch wiederholtes Auftragen der gleichen Farbe oder abgetönter Valeurs. Diffusen Farbaufträgen wird hier dezidierter nachgegangen als im großen Format. Die Farbflächen scheinen dadurch im Bildraum zu schweben, verortet allein durch ihre Beziehung zur benachbarten Form. Diese Unschärfen im tektonischen Gefüge machen den Reiz der kleinen Arbeiten aus. 

„Warum ich male? Weil mir sonst langweilig ist. Ich kann nichts anderes, also male ich!“

Ich wünsche Ihnen heute einen inspirierenden Austausch mit der Künstlerin und viel Freude an der Ausstellung. In der Hoffnung, daß die eine oder andere Arbeit den Besitzer wechselt, beglückwünsche ich Susanne Zuehlke zu dieser schönen Schau ihres überzeugenden Schaffens.

 

 

 

Vernissage Susanne Zuehlke, „Triumpf der Farbe“, Städtische Galerie im Alten Spital, Bad Wimpfen, 20.9.2014  

Laudatio: Dr. des. Maria Lucia Wiegel   Kunsthistorikerin, Heidelberg

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich habe die Freude, Ihnen heute abend die Arbeiten der in Karlsruhe lebenden Malerin Susanne Zuehlke vorstellen zu dürfen, die in den kommenden Wochen in den Räumen der Städtischen Galerie zu sehen sein werden.

Der Titel der Ausstellung faßt in Worte, was den Betrachter bereits auf den ersten Blick in den Bann zieht und fasziniert: die Wirkmacht schierer Farbe. Doch wird diese Anmutung ebenfalls im ersten Augenblick begleitet von der Erkenntnis, daß sich hier Farbe wohl nicht als gestisches Notat innerer Rauschzustände manifestiert und auch nicht um ihrer selbst willen, der optischen Sensation halber, im Bild vorgeführt wird. Auch ein konzeptueller Ansatz scheidet aus. Die Erkundungen von Farbe auf diesem Terrain liegen nicht im Interesse der Künstlerin. Vielmehr tritt uns das farbige Geschehen auf dem Bildträger in einer Formgestalt gegenüber, die die Malmaterie gebändigt erscheinen läßt. Tektonische Gefüge entstehen im Verschränken und Staffeln größerer und kleinerer Flächen homogener Farbgebung. Susanne Zuehlke erschließt auf diese Weise den Tiefengrund ihrer Bilder, um daraufhin malerisch aufgelöste, mit gestischem Strich gesetzte oder auch durch Fließspuren entstandene Strukturen an der Oberfläche zu platzieren und diese sogleich mit dem Grund zu verweben. Eine Vielfalt an gestalterischen Strategien kommt hierbei zum Einsatz. Susanne Zuehlke baut ihre Arbeiten in zahlreichen Schichten von Farbe auf, die sie aus Pigment und dem Bindemittel Ei selbst herstellt. Die Farben weisen im Auftrag eine matte Oberfläche auf, sie werden deckend eingesetzt und wirken ihrer Intensität zum Trotz nie aufdringlich. Wenn man in diesem Zusammenhang von Noblesse sprechen kann, dann gebührt diese Eigenschaft dem hier zur Anwendung gelangenden Malmittel. Allerdings zeigt sich in der Art des Farbauftrags wie auch in den Valeurs selbst die Komplexität des Bildaufbaus. Zum einen verwandeln sich zuunterst angelegte farbige Gründe den darüber aufgetragenen Schichten an, bilden dadurch Mischtöne aus, scheinen durch die Farblagen hindurch oder bleiben in schmalen Säumen sichtbar, wie in der Arbeit „Verstecktes Rot“. Zum anderen lotet das gestalterische Repertoire die technischen Möglichkeiten des Mediums Eitempera in anderer Hinsicht aus. Bis hin zur Transparenz löst sich die farbige Substanz in den Partien auf, in denen sie im Fließen erstarrt zu sein scheint. Solche Phänomene entdecken Sie beispielsweise in dem großformatigen gelbtonigen Werk „Let the sunshine in“. Diffuse, nicht scharf begrenzte, farbige Bereiche und mit Vehemenz ausgeführte Pinselschwünge, deren Schnelligkeit im Strich festgehalten ist, setzen andere Akzente.

Wenn von einem farbigen Geschehen auf dem Bildträger die Rede ist, so verweist dies auf die Wirkung der Farbe, deren gewählten Ton, ihre Temperatur, die ein optisches Vor- und Zurückweichen der farbigen Flächen und gestalterischen Elemente suggerieren. Das Bild ist stets in Bewegung. Diese Dynamik teilt sich dem Betrachter unmittelbar mit, er kann und will sich ihr nicht entziehen. Eine Bilderzählung ist auf den ersten Blick nicht intendiert, das Narrative scheint hinter dem kraftvollen und zugleich konzisen Einsatz der Mittel zurückzutreten, die der Malerin zur Verfügung stehen.

Welches künstlerische Anliegen tritt nun in dieser Handhabung der Farbe zutage? Ist alles gesagt, wenn wir die Werke in ihrem abstrakten Miteinander von Farbformen würdigen? „Farbe ist ein Ausdrucksträger“, so formuliert es die Malerin, „aber es muß in einem Bild um mehr gehen als nur um das Aufzeichnen eines Prozesses. Es geht mir um den zweiten Blick, um das, was dahinter steht“. Sehr überraschend zeigt sich ein Gegenstandsbezug in den Kompositionen, der sich dem Betrachter zunächst nur als Assoziation mitteilt. Die Gefüge im Bild verweisen weniger auf bildlich Gebautes als auf  landschaftliche Formationen. In der Tat stellt Landschaft seit vielen Jahren den Ausgangspunkt der künstlerischen Überlegungen von Susanne Zuehlke dar. Waren es zu Beginn farbige Flächen, die die Bilder sparsam instrumentierten und doch ihren Ursprung im Seheindruck hatten: in einem Feld, in der Impression von Licht zu einer bestimmten Tageszeit, so zeigen jüngere Arbeiten eine Verdichtung und höhere energetische Aufladung in der Varianz der Formen. Doch  nach wie vor geht es um Rhythmus, Richtung, Lichthaltigkeit.

Die Arbeiten entstehen in mehreren Schritten. Kleinformatige Bleistiftskizzen haben pointiert abbildhaften Charakter, sie halten erste Ideen fest. Vorzeichnungen auf dem feinen Nesseltuch, das als Bildträger dient, lassen noch im Detail die bildauslösenden Situationen erkennen. Es ist die vom Menschen erschlossene und nach seinen Bedürfnissen und Notwendigkeiten gestaltete Natur, die in den Fokus der Malerin rückt. Sie übt mit ihren Bildern damit auch Kritik an der zunehmenden Verbauung der Landschaft. Natur als Gegenüber, als vitale Kraft ist hier schon gebändigt und bricht sich doch wieder Bahn in der malerischen Umsetzung, in der Wahl der Farben, der Gestimmtheit der Bilder. In weiteren Schritten werden die gegenständlichen Details getilgt. In dieser Phase stellt sich die allmählich wachsende Komposition als Aufgabe der Verschränkung der Bildelemente, Ausdifferenzierung der Farben und Verdichtung der Partien zu einem Bildganzen dar. Es sind gestalterische Entscheidungen, die nun getroffen werden. Sie nehmen nicht auf  gegenstandsbezogene Details des ursprünglichen Seheindrucks Bezug, stehen aber mit dessen emotionalen Qualitäten in Verbindung. Hier wird die Künstlerin geleitet von der Erinnerung an das Erlebnis Landschaft, vom Gang durch das vom Licht durchbrochene Unterholz, die ungemein sinnliche Erfahrung des In-der-Landschaft-Seins, das Umhüllt-Sein von den Farben und Gerüchen der Natur. Die eigene Beteiligung ist dabei wesentlich. Die Malerin ist im Bild anwesend, nicht nur als Beobachterin, sondern als Staunende und als Schöpferin zugleich. In der Staffelung der Farben in Flächen und anderen Elementen setzt die Malerin die Erfahrung von Landschaft als Raum um. Das Erleben von Landschaft ist an die Perspektive gebunden, erst im Durchwandern eröffnen sich neue Ausblicke, treten Baumbewuchs und Berge auseinander und geben neuen Formationen Raum oder der Blick wird verstellt, durchkreuzt, gekappt, nicht zuletzt durch mutwillige Eingriffe in die Natur. In derselben Weise wollen die Bilder erwandert werden, denn in ihren Kompositionen spiegelt sich diese dem Menschen eigene Erfahrung von Räumlichkeit. Indem der Blick des Betrachters durch die Bildbereiche mäandriert, tritt er den Spaziergang an, trifft hier auf undurchdringlich scheinende Vegetation, dort auf lichte Weite, auf Zäune und scharfe Kurven. All dies ist begleitet vom emotionalen Widerhall, den die Zusammenstellung und die Rhythmisierung der Farben in uns wie zuvor in der Künstlerin auslösen. Sie nehmen die Gestimmtheit des Erlebens auf - lassen sie damit auch das Wesen der Malerin erahnen? Brüche, Farbakkorde hart an der Dissonanz, krude Linien sind eingebettet in ästhetisch Schönes. Das Gespür für die Stimmigkeit der Kompositionen, für das Integrieren aller Phänomene und das Aushalten von Spannungen wie von reiner Schönheit zeugen von der Persönlichkeit der Bildschöpferin, damit ist nicht zuviel gesagt.

Es sind subjektive Erlebnisse, aus denen sich die Bildfindungen speisen und die überhaupt erst zum Anlaß künstlerischer Auseinandersetzung werden. Dabei erlebt Susanne Zuehlke auch die sich in Bebauung spiegelnde Anwesenheit des Menschen als Eingebettet-Sein in die Umgebung. „Sea Shore“ zum Beispiel ist in der Erinnerung an einen Aufenthalt an der südfranzösischen Küste entstanden. Das Blau des Himmels und das Weiß von Häusern, Sand, Booten und sommerlich gekleideten Menschen lösen im Betrachter Empfindungen aus, die an eigene Erlebnisse dieser Art gekoppelt sind. Wir teilen die Begeisterung, und so schlägt sich eine Brücke zwischen dem persönlichen Kosmos der Malerin und dem unseren. Serenität, heitere Gestimmtheit, und die langsame Taktung mediterranen Lebens finden ihren Niederschlag in der aus großen Farbflächen zusammengesetzten Bildfindung. Die Bilder allerdings setzen dem allzu offensichtlich Erzählerischen ihre eigene, eben bildliche Präsenz entgegen. Sie führen uns ihre Wirklichkeit vor Augen.

Andere Bildtitel sind weniger eindeutig, doch bieten in ihrer poetischen Fülle reiche Assoziationsmöglichkeiten. Die Künstlerin ersetzt die mit privaten Erlebnissen verknüpften Arbeitstitel später durch solche, die einen allgemeineren Zugang eröffnen, auf den Bildanlaß jedoch verweisen. „Die Luft ist ein Frühstück“ oder „fremder Duft“ ofenbaren das Faible der Malerin für lyrische Formulierungen. Sofort entfalten sich eigene Vorstellungen, gestützt von der malerischen Präsenz der Arbeiten, die das Rätsel ihres Ursprungs dennoch nicht ganz enthüllen.

Ein immer wiederkehrendes Motiv ist die Vegetation. Sie begleitet die Landschaft, ist Teil von dieser und bestimmt deren Erleben wesentlich mit, zumindest in Regionen gemäßigten Klimas. Die Fülle von Grüntönen, die Susanne Zuehlke einsetzt, ist inspiriert von der Jahreszeit. „Wenn es draußen grün wird, werden meine Bilder grün“, sagt die Künstlerin und verweist damit auch auf die Energie, die sich vom Aufbruch der Natur auf den Menschen überträgt und im Bild sichtbar wird, das Innen und Außen zugleich spiegelnd.

Susanne Zuehlkes Werk ist von dem hohen Anspruch der Künstlerin an sich selbst geprägt, sich stets an die Grenzen des Sujets Landschaft in all seinen Aspekten, den gegenständlichen wie den emotionalen, heranzuarbeiten, die Kraft, die darin liegt, aufzuspüren und ohne Geschwätzigkeit bildlich zu transformieren. Farbe ist dabei ihr Ausdrucksmittel, der Umgang mit dieser ist in vielen Jahren der Auseinandersetzung gereift und inspiriert doch immer zu neuen Entdeckungen. Daß dies gelingt, daß das Werk den Anspruch einlöst, davon zeugen die Bilder dieser Ausstellung. Die souveräne Handhabung des Handwerklichen ist dafür nur die selbstverständliche Voraussetzung. Ich möchte mit einem Zitat von Susanne Zuehlke schließen, das dieses künstlerische Können auf die der Malerin eigene humorvolle Weise mit Bescheidenheit, aber dahinter verborgener Unbedingtheit kommentiert: „Warum ich male? Weil mir sonst langweilig ist. Ich kann nichts anderes, also male ich!“

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